Interview mit fünf Kirchenmusikern

Sie sorgen für Töne, Klang und Atmosphäre in den Gemeinden – die Kirchenmusiker. Künstler sind sie, Pädagogen, Theologen, Veranstalter und Standbein des Gemeindelebens. Vielleicht mehr als das gesprochene Wort erreicht das musizierte Wort die Seele. Was treibt die „unsere“ Musiker an? Achtzehn Fragen haben wir ihnen gestellt.

Worauf kommt es Ihnen als Chorleiter an?

Spaß, nein: Arbeit – das Menschliche? – also: Musik mit Menschen, (mit) denen die Arbeit mit Musik Spaß macht. 

Was ist für Sie gute Musik?

Gute Musik ist eigentlich GEISTLICHE Musik ist für mich. Und das ist – schnell gesagt - Musik, deren Schöpfer einen Draht zu unserem Schöpfer hatte und der es uns daher ermöglicht, selbst durch die Musik den Blick nach „oben“ zu öffnen.

Welche Musik und/oder welcher Musiker inspiriert Sie?

eben Musik und Musiker, die eine solche Perspektive zu eigen haben.

CD oder Spotify?

Kaum CDs. Noch weniger Radio, etwas Internet

Kopfhörer oder Lautsprecher?

Ich hatte lange eine gewisse Neigung zu Akustikfetischismus: Verkünstelung in audiophile Spielereien. Mittlerweile siehe 4) und: konservierte Musik ist unabhängig von ihrer Wiedergabequalität pasteurisiert, homogenisiert, sterilisiert, nur scheinbar naturidentisch.

Klatschen in der Kirche – was halten Sie davon?

kommt auf die Kirche an und auf die Situation.

Unplugged oder mit elektrischer Verstärkung?

Verstärkung ist allenfalls eine akustische Notwendigkeit in Freiluftveranstaltungen. Innenräume haben ja nicht nur den Sinn, vor Witterungseinflüssen zu schützen, sondern auch die Menschen akustisch zu verbinden. Verstärkung ist heute oft ein unreflektierter Reflex, resultierend unter Umständen aus einer gewissen Unsicherheit heraus und beim Hörer motiviert durch die regelbare Lautstärke der diversen Medien.

Auswendig oder mit Noten musizieren?

Wenn’s auswendig geht: prima. Vielfach ist die Musik ja technisch so anspruchsvoll, dass es im Prinzip auswendig ist, auch, wenn man man Noten dastehen hat.

EG (Evangelisches Gesangbuch) oder Neue geistliche Lieder?

EKG.

Gibt es einen Qualitätsunterschied zwischen „klassischer“ Kirchenmusik und populärer Kirchenmusik?

logisch gibt es einen prinzipiellen Unterschied. Die Qualität ist eine Frage der Definition. Die Frage ist meiner Meinung nach, was im Sinne von 2) GEISTLICHE Musik ist. Das ist oft Musik in Kirchen, aber nicht jede Musik in Kirchen und ebenso wenig jede Musik, die einen Text aus der Bibel vertont. Das ist eine Frage der Perspektive.

Richtig oder falsch: Lieber falsch als gar nicht singen.

Ja, das mit dem Gemeindegesang ist ein Fass, wo der Boden nicht tastbar ist… Ist „heute“ Gemeindegesang in seiner Wirkung auf den Gottesdienstbesucher noch das Gleiche wie in den Zeiten, als die „Klassiker“ des Gesangbuches geschrieben wurden? Ist das Mitsingen von solistisch dargebotenen Gitarren-Schlagern damit vergleichbar? Können wir in einem Gottesdienst beides nebeneinander Sinn-voll machen? Wenn die Frage wäre: was bedeutet es Ihnen, selbst in der Gemeinde als Gottesdienstbesucher mitzusingen, hätte ich schon ganz differenzierte Antworten. Diese würden aber die Sache nicht einfacher machen;-)

Ein gewisser Gradmesser für mich sind die Choräle in den Kantaten und Passionen von Bach, die – scheinbar – schlichte Gemeindelieder sind.

Jedenfalls geht es mit dem Singen schon an die Substanz dessen, was Gottesdienst ist. Wenn man dann noch das Sprechen dazu nimmt… Die Frage „Was ist Gottesdienst“ ist zumindest teilidentisch mit der Frage „Was ist Gemeindegesang“.

Insofern: was ist schon „falsch“?

Wird die Orgel auch zukünftig in unseren Kirchen das zentrale Musikinstrument bleiben?

Ist sie das denn? …noch? Das hängt von dem ab, was Gottesdienst sein will und, was sich dann als geeignetes Instrumentarium anbietet.

Sonntagmorgen als ganz normaler Gottesdienstbesucher: Freuen Sie sich auf`s Singen?

Ich sing immer mindestens die erste Strophe mit. das macht mir aber wahrscheinlich nur so viel Spaß, weil ich zugleich auch spiele! Ob ich am Singen allein ebenso viel Freude hätte?

Gibt es Musik, die Sie ablehnen?

durchaus. Musik, die nicht im dargestellten Sinn GEISTLICH ist. Und das ist eine ganze Menge ;-)

Wie reagieren Sie, wenn jemand sagt: „Ich bin total unmusikalisch“?

Ich bin total unsportlich. Sowas kommt schon vor!

Muss man auch Musikhören üben?

Musikmachen muss man üben. Das Hören stellt sich dann schon entsprechend ein.

Worauf kommt es Ihnen als Chorleiter an?
Möglichst allen, die Lust haben in Gemeinschaft zu singen, die Teilhabe zu ermöglichen und sie dort abzuholen, wo sie sind.

Was ist für Sie gute Musik?
In erster Linie Musik, die mich berührt und bewegt.

Welche Musik und/oder welcher Musiker inspiriert Sie?
Marco Beasley. Ed Sheeran. Bach.

CD oder Spotify?
CD.

Kopfhörer oder Lautsprecher?
Lautsprecher.

Klatschen in der Kirche – was halten Sie davon?
Na klaro.

Unplugged oder mit elektrischer Verstärkung?
Wenn möglich, unplugged – aber im Zweifelsfall lieber mit Verstärkung.

Auswendig oder mit Noten musizieren?
Kommt sehr drauf an – wenn die Musik bis ins kleinste Detail verinnerlicht ist, ist auswendig toll. Wenn das nicht geht, dann lieber mit Noten.

Verstärker, Lautsprecher, Mikrophone: Hilfe oder Ärgernis?
Kommt auch sehr drauf an – wenn ich mich selber drum kümmern muss, jedes Mal eine Hilfe mit Ärgernis über den großen Aufwand. Wenn sich wer drum kümmert, der weiß was er tut und was ich will: großartig!

EG (Evangelisches Gesangbuch) oder neue geistliche Lieder?
In beiden Kategorien finden sich schöne und auch weniger schöne Lieder, aber Tendenz eher: neue geistliche Lieder.

Gibt es einen Qualitätsunterschied zwischen „klassischer“ Kirchenmusik und populärer Kirchenmusik?
Ich denke, sowohl im E- als auch im U-Bereich findet man Qualität von bis.

Richtig oder falsch: Lieber falsch als gar nicht singen.
Immer singen. Falsch und richtig ist meistens nur eine Frage der Übung und/oder der passenden Tonhöhe.

Sonntagmorgen als ganz normaler Gottesdienstbesucher: Freuen Sie sich aufs Singen?
Immer!

Gibt es Musik, die Sie ablehnen?
Natürlich habe ich Vorlieben und auch Musik, die ich nicht besonders mag – aber wirklich ablehnen tue ich Musik nur dann, wenn ich den Text nicht ertragen kann. So es denn einen gibt. 

Wie reagieren Sie wenn jemand sagt: „Ich bin total unmusikalisch“?
Ich frage nach, warum die Person das denn denkt.

Muss man auch Musikhören üben?
Kann man. Muss man aber nicht.

Benjamin Faber (42) ist als freischaffender Musiker hauptsächlich als Gitarrenlehrer tätig. Er leitet die Kinder- und Jugendchorgruppen sowie den auf aktuelle Pop- und Rockmusik ausgerichteten „Rockochor“ der Sottrumer Kirchengemeinde St. Georg. Außerdem ist er Mitbegründer und musikalischer Leiter der Gruppe „Wildes Blech“.

Worauf kommt es Ihnen als Chorleiter an?

Disziplin. Obwohl die Chorsänger einem Hobby nachgehen, haben sie – und auch ich als Kantor – eine Funktion bzw. eine Rolle, und wenn je besser ich in dieser Rolle funktioniere, desto mehr füge ich mich in ein Gesamtwerk (Chorstück, Gottesdienst, Oratorium) ein.

Was ist für Sie gute Musik?

Gute Musik ist für mich keine Frage der Stilrichtung. Ein Orgelstück von Bach kann ebenso schlecht sein wie ein lustlos musiziertes Lobpreislied. Mir geht es um Qualität! Um Emotion. Um möglichst gute Voraussetzungen wie Noten, Beleuchtung, der Stuhl des Chorsängers, die Technik der Band usw. Und um Ausführende wie Aufnehmende (z.B. Chor und Gemeinde), die offen für das sein sollten, was sie singen und hören.

Welche Musik und/oder welcher Musiker inspiriert Sie?

Musik, die zu meiner derzeitigen Gemütslage, zu meinen Gedanken und meiner Stimmung passt. Das kann Oratorisches von Mendelssohn Bartholdy sein, Orgelmusik von Buxtehude, Bach und Franck, Lounge- und Chillout oder einfach mal n-joy.

CD oder Spotify?

CD. Weil das Booklet mir meist mehr Hintergrundinformationen liefern kann, Fotos der Ausführenden (immer lustig bei älteren Aufnahmen!) und z.B. die Disposition und Registrierung der Orgel. Und weil CD offline funktioniert.

Kopfhörer oder Lautsprecher?

Es reizt mich manchmal schon, den ganzen Ghettokids mit ihren Bluetooth-Lautsprechern in der Öffentlichkeit mal meinen mit dröhnender Orgelmusik entgegenzusetzen… Im Ernst:

Im Büro und im Wohnzimmer Lautsprecher, im Zug Kopfhörer. Wenn Sie das lesen, hier ein Tipp: je näher die Schallquelle am Ohr, desto höher die Belastung für das Ohr! Daher bevorzuge ich immer „Lautsprecher im Zimmer“, wo sich der Klang an den Wänden reflektiert und so erst lebendig klingt.

Klatschen in der Kirche – was halten Sie davon?

Kirchenmusik ist Verkündigung. In unserer Aufführungskultur des 21. Jahrhunderts und dem ständigen Liken im Internet wird aber alles, was jemand macht, beurteilt und im positiven Fall geliked, beklatscht, honoriert. Da Kirchenmusik auch Kultur ist, ist Klatschen für mich kein grundsätzlicher Widerspruch am Ende eines Konzerts, kann aber einzelne stören und den Spannungsbogen eines Gottesdienstes zerstören. Wenn ich es mir aussuchen könnte: Im Gottesdienst und im Konzert kein Klatschen; nachdem der Schlussakkord verklungen ist dürfen alle Dämme brechen.

Unplugged oder mit elektrischer Verstärkung?

Was besser klingt.

Auswendig oder mit Noten musizieren?

Auswendig. So kann ich die Musik besser fühlen.

Verstärker, Lautsprecher, Mikrophone: Hilfe oder Ärgernis?

Wenn nicht unplugged, dann darf die Technik niemals stören oder das Musizieren behindern! Gerade wir in der Kirche müssen da dringend mehr von den Profis aus Film und Fernsehen lernen!

EG (Evangelisches Gesangbuch) oder eue geistliche Lieder?

Egal. Es muss gut gemacht sein!

Gibt es einen Qualitätsunterschied zwischen „klassischer“ Kirchenmusik und populärer Kirchenmusik?

Wie gesagt, es muss beides gut realisiert werden. Und wie gesagt gibt es in der Vorlage durchaus Qualitätsunterschiede. Oder erinnern Sie noch jeden einzelnen Titel, der auf Ihrer Lieblings-CD von vor 20 oder Ihrer Lieblings-Platte von vor 40 Jahren war?

Welche Kriterien muss Musik erfüllen, damit sie im Gottesdienst ihren Platz haben darf?

Im Gottesdienst sind wir im Dialog mit Gott. Gott und ich. Darum geht es. Nicht um „Atemlos durch die Nacht“ oder eine enttäuschende Beziehungsgeschichte, in der irgendwo das Wort „Halleluja“ vorkommt. Und das müssen wir Ausführenden immer wieder auch den Leuten nahebringen, denn besonders die Wünsche von Angehörigen bei Trauungen und Beerdigungen sprengen immer häufiger den liturgischen Rahmen mit Musik, die definitiv in eine Feier nach dem Gottesdienst gehört.

Richtig oder falsch: Lieber falsch als gar nicht singen.

Singen ist Emotion. Wer die Casting-Shows anschaut, merkt schnell, dass auch mal eine „Stimme mit Potential“ eine Chance bekommt – wenn da Leidenschaft drinsteckt. Also immer raus damit! Einziger Einwand: liturgisch ausführende Personen sollten sich immer auch ihrer Vorbildfunktion bewusst sein...

Wird die Orgel auch zukünftig in unseren Kirchen das zentrale Musikinstrument bleiben?

Wenn Sie mir eine Alternative anbieten können, die genauso festlich, faszinierend und vielfältig ist…

Sonntagmorgen als ganz normaler Gottesdienstbesucher: Freuen Sie sich aufs Singen?

Immer dann, wenn ich dabei authentisch begleitet werde.

Gibt es Musik, die Sie ablehnen?

„Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik“ – Wise Guys, 2001

Wie reagieren Sie, wenn jemand sagt: „Ich bin total unmusikalisch“?

Leider hat jemand das gesagt bekommen, genervte Eltern oder böse Freunde. Jemand wurde nie motiviert, Musik zu machen. Letztendlich ist jeder Mensch musikalisch. Einfach mal probieren! Mutig sein! Unterrichtsangebote nutzen, in einem Chor mit Gleichgesinnten treffen und unter der Dusche kräftig mitschmettern…

Muss man auch Musikhören üben?

Klar! Und das macht großen Spaß! Mit Kindern mache ich Rätsel, welche Instrumente sie hören, ob sie fröhliches und trauriges unterscheiden können, lautes und leises uvm. Irgendwann baut sich eine Routine auf, man schafft sich ein Repertoire irgendwo zwischen Gregorianik und aktuellen Charts und kann so offen ins Gespräch kommen.

1)    Worauf kommt es Ihnen als Chorleiter an?

       Dass der Chor (Gruppe) Freude an der Musik hat

2)    Was ist für Sie gute Musik?

       Alles, was den Menschen gefällt

3)    Welche Musik und/oder welcher Musiker inspiriert Sie?

       Wibke Corleis, Martin Pepper, Bodo Wartke, Micha Keding

6)    Klatschen in der Kirche – was halten Sie davon?

       Sehr viel

8)    Auswendig oder mit Noten musizieren?

       Auswendig, ist leider oft nur Wunschdenken.

9)    Verstärker, Lautsprecher, Mikrophone: Hilfe oder Ärgernis?

       Große Hilfe.

11)  Gibt es einen Qualitätsunterschied zwischen „klassischer“ Kirchenmusik und

       popularer Kirchenmusik?

       Nein, dass kann man nicht vergleichen. Kirchenmusik hat feste Regeln (Gesetze),

       Pop-Musik ist frei.

12)  Welche Kriterien muss Musik erfüllen, damit sie im Gottesdienst ihren Platz

       haben darf?

       Sie muss etwas mit Gott -Glauben der Kirche zu tun haben.

14)  Wird die Orgel auch zukünftig in unseren Kirchen das zentrale

       Musikinstrument bleiben?

       Aber ja!

16)  Gibt es Musik, die Sie ablehnen?

       Rap, Free Jazz, Metall

18)  Muss man auch Musikhören üben?

       Ja, unbedingt.

 

Andreas Winterhalter, 51 Jahre alt, Lieblingskomponisten: Beethoven, Brahms, Rachmaninov

Worauf kommt es Ihnen als Chorleiter an?

Dass die Menschen gern kommen, weil ihnen die Gemeinschaft und die Musik am Herzen liegt, und dass am Ende das klangliche Ergebnis in Gottesdienst und Konzert den Menschen zur Freude und Gott zur Ehre gereicht.

Was ist für Sie gute Musik?

Gute Musik ist für mich Musik, die sich nicht abnutzt. Musik, die beim 100. Hören noch spannend, freudig oder traurig ist. Das können durchaus Stücke sein, die sich einem nicht sofort erschließen, aber nach langer Zeit immer wieder neue Elemente aufleuchten lassen. Gute Musik setzt auch Assoziationen frei, lässt Bilder, Situationen, Gerüche und Geschichten auftauchen.

Welche Musik und/oder welcher Musiker inspiriert Sie?

Generell ist der Austausch mit anderen Musikern inspirierend. Dabei ist es unerheblich, ob es ein Gespräch oder das gemeinsame Musizieren ist. Insbesondere waren es immer Lehrer, die mich inspiriert haben. Meine erste Klavier- und Orgellehrerin, Marianne Brunken, mein Chorleitungsprofessor, Wolfgang Helbich, aktuell meine jetzige Klavierlehrerin, Mariya Kim.

CD oder Spotify?

Ganz klar CD. Das Rundumpacket mit einem schön gestalteten Beiheft, in dem Informationen zu Komponisten, Werken und Ausführenden zu finden sind, gehört für mich zum Hörgenuss dazu.

Kopfhörer oder Lautsprecher?

Lieber Lautsprecher. In meinem Arbeitszimmer habe ich in jeder der vier Ecken einen Lautsprecher stehen, was einen super guten räumlichen Klang ergibt. An den Kopfhörern stört mich das Eingesperrt-Sein.

Klatschen in der Kirche – was halten Sie davon?

Wenn ein Konzert zu Ende gegangen ist und die Leute begeistert sind, weil ein Funke sie erreicht hat, ein Funke des Gotteslobes, ein Funke von Glaubensgewissheit oder eine Hochachtung vor der erbrachten Leistung, dann bitte gerne klatschen. Das befreit Ausführende und Zuhörer gleichermaßen und lässt sie die Begeisterung mit nach Hause nehmen.

In einem Gottesdienst sehe ich das anders. Ein Gottesdienst ist eine Gesamtleistung und nicht das Darbieten von vielfältigen Einzelleistungen, die beklatscht werden sollten. Das kann nämlich zu Schieflagen führen. Vor etlichen Jahren haben wir mit der Scheeßeler Kantorei „Good news“ zur Konfirmation gesungen. Das Stück ist musikalisch betrachtet sehr simpel gehalten, zumal es mit nur zwei Akkorden versehen ist. kein Problem also für einen erfahrenen Chor. Nach der Aufführung wurde geklatscht. Wenn wir sonst in Gottesdiensten singen, sind das eher Motetten alter Meister, die in Einstudierung und Aufführung komplexer und arbeitsaufwendiger sind. Da wurde noch nie geklatscht. Auch einen Applaus nach einem guten Orgelvorspiel oder nach einer gelungenen Predigt habe ich noch nicht erlebt. Ich meine aber, dass das alles für einen Gottesdienst gleichwertig ist.

Unplugged oder mit elektrischer Verstärkung?

Lieber unverstärkt.

Auswendig oder mit Noten musizieren?

Was den Auftritt eines Chores angeht, erscheinen mir die Noten immer als eine Barriere zwischen Chor und Publikum. Die Wirkung wäre um ein Vielfaches größer, wenn wir die Menschen ansehen würden. Das allerdings von den Sängerinnen und Sängern unserer Kantoreien zu verlangen, wäre wohl zu viel erwartet. Was das eigene Musizieren angeht, bevorzuge ich inzwischen das auswendige Musizieren. Erstens wegen der Barrierefreiheit und zweitens, weil die Musik dann mehr aus mir herausfließt. Dann sind nicht immer alle Töne richtig, aber ich spreche zu meinem Publikum und das muss Musik sein: Dialog mit den Zuhörenden.

Verstärker, Lautsprecher, Mikrophone: Hilfe oder Ärgernis?

Das kommt doch sehr auf die Situation an. Ein Freiluftgottesdienst, bei dem ab der dritten Reihe nichts zu verstehen ist, ist ein Ärgernis, das geht nur mit Mikro. Einen Chor gut zu verstärken, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, dann lieber ohne als schlecht gemacht. Die ganzen Rückkopplungen, gegen die ich im Laufe der Jahrzehnte an georgelt habe, waren mir immer ein Ärgernis, ist aber schon lange nicht mehr vorgekommen.

EG (Evangelisches Gesangbuch) oder neue geistliche Lieder?

Zunächst mal: im EG stehen eine ganze Menge neue geistliche Lieder, nahezu völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit. Ansonsten hängt es vom Zweck der Nutzung ab. Bei einer Konfirmandenfreizeit ist eine modernere Liedersammlung eindeutig passender. Da kommt mehr Stimmung auf, wenn eingängige Lieder gesungen werden können. Im Gottesdienst ist die Situation eine andere, denn die Stimmung bedingt durch den Raum und die Form eine andere ist. Da gehört nach meiner Auffassung das Gesangbuch mit seinen umfassenden Möglichkeiten hin.

Gibt es einen Qualitätsunterschied zwischen „klassischer“ Kirchenmusik und populärer Kirchenmusik?

Nein. Es gibt auch keinen Qualitätsunterschied zwischen Kirschen und Äpfeln, lediglich Menschen, die lieber Kirschen essen oder eben Äpfel. Gut oder schlecht können sie beide sein.

Welche Kriterien muss Musik erfüllen, damit sie im Gottesdienst ihren Platz haben darf?

Sie muss inhaltlich zu dem Geschehen passen und die Herzen der Zuhörer erreichen.

Richtig oder falsch: Lieber falsch als gar nicht singen.

Auf jeden Fall richtig. Das Singen ist eine der ursprünglichsten Lebensäußerungen. Klatschen oder Tanzen gehören auch dazu. In Gottesdiensten, aber auch bei langen Busfahrten oder auf Freizeiten können durch das Singen Emotionen freigesetzt werden, die sonst verschüttet blieben. Im Fußballstadion wird auch kräftig gesungen ohne, dass jemand nach richtig oder falsch fragt. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der das Singen einen hohen Stellenwert erlangt, damit wir auch an Punkten, die wir gerne verdrängen, die aber doch kommen, den Trost des Singens spüren können, etwa bei Beerdigungen.

Wird die Orgel auch zukünftig in unseren Kirchen das zentrale Musikinstrument bleiben?

Nach meiner bescheidenen Auffassung ist die Orgel im Raum Kirche DAS Instrument zur Begleitung des Gemeindegesanges und DAS Instrument zur Sicherstellung einer feierlichen, erhabenen Atmosphäre in einem feierlichen und erhabenen Raum. Es ist ein atemgeführtes Instrument, das den Gesang sicher und einfühlsam leiten kann. Ich kann mir keine Alternative vorstellen.

Sonntagmorgen als ganz normaler Gottesdienstbesucher: Freuen Sie sich aufs Singen?

Eigentlich schon. Ich habe nur immer berufsbedingte Gedanken: ist der Organist gut und werden die Choräle zu langsam oder zu hochgespielt.

Gibt es Musik, die Sie ablehnen?

Ja.

Wie reagieren Sie wenn jemand sagt: „Ich bin total unmusikalisch“?

Jeder hat verborgene Talente, man muss sie nur zulassen. Und: es ist nie zu spät, sich mit der Musik auseinander zu setzen. Zum Beispiel das Blasen in einem Posaunenchor kann auch noch im fortgeschrittenen Alter erlernt werden. Die ältesten Jungbläser, die ich unterrichtet habe, waren über 60 und haben es alle gelernt.

Üben in dem Sinne sicherlich nicht. Aber eine eingehende Beschäftigung mit den Stücken, etwa durch eine Einführung im Prorammheft ist unbedingt hilfreich. Dadurch können auch musikalisch weniger beflissene Menschen den Gehalt einer Komposition besser erfassen. Klassische Musik hat einen Nachteil: man muss sich mit ihr auseinandersetzen. Wenn man sich aber darauf eingelassen hat, öffnet sich ein schier unendlicher Schatz für die Seele. Probieren Sie es aus!